Ich bin auf dem Weg nach Keyenberg. In diesem 150-Seelendorf direkt bei der Abrisskante zum Bergbau versammeln sich gerade 35.000 Klimaaktivist:innen. Der Anblick ist überwältigend: Egal wo man hinsieht, überall Menschen, die zur Demo gehen. Das Handynetz ist schon lange zusammemgebrochen - es ist einfach nicht darauf ausgelegt, so viele Menschen zu verbinden. Ein Verabreden? Unmöglich. Die Menschenmasse hört garnicht mehr auf und schiebt sich in Richtung Ortsausgang, wo eine Bühne mitten auf einem Feld, direkt vor der Abrisskante zum Kohleabbau und mit Windrädern im Hintergrund aufgebaut ist.
Nach der Demo gehen immer mehr Demonstrant:innen nach Lützerath; Und die Polizei stellt sich auf. Mit einem Hubschrauber der seit morgens um 9 Uhr über Lützerath kreist, hat die Polizei einen deutlich besseren Überblick als alle Anderen. Aber die Aktivist:innen umstellen die Polizeikette mit einer eigenen Kette und Teile von ihnen schaffen es recht schnell, in den Kohleabbau einzudringen. Nur Lützerath selbst wird nicht nochmals besetzt.
Doch mit welchen Mitteln? Ich selbst bin natürlich nicht überall dabei, versuche aber so gut es geht das mitzubekommen, was mitzubekommen ist. Der Presseeingang nach Lützerath ist schon lange zu, zumindest glaube ich das. Nachgefragt habe ich aber die Antwort, die ich von dem Polizisten bekommen habe war nicht gerade zufriedenstellend: "Verpiss dich" schrie er mich an und kam mit seinem Schlagstock einen Meter auf mich zu. Als ich meine Presseakkreditierung zeigen wollte, wiederholte er nur sein Vorgehen und ein Kollege schloss sich ihm an.
Ich versuche also die Lage von außen weiter im Blick zu behalten. Das erste mal eskaliert die Situation in meiner Nähe als sich etwas weiter unten zwei Aktivist:innen an einem geparkten Polizeiauto zu schaffen machen. Als das eine Gruppe von Polizist:innen mitbekommt, rennen zwölf von ihnen auf die beiden zu und verprügeln sie weit über die Überwältigung an sich hinaus. Dazu kommen noch Beschimpfungen bis sie dann im Polizeiauto verhört werden. Von nun an sind diese Polizeiautos ebenfalls von Polizist:innen umstellt. An diesem einen Tag zähle ich weit über 20 Polizeiautos, bei denen Seitenspiegel abgetreten wurden oder Luft aus den Reifen gelassen wurde.
Chief-Coder von GiBlog, 19 Jahre alt, FSJler im Bundestag, Klimaaktivist und führerscheinlos. Schreibt unregelmäßig Gastartikel für GiBlog über unregelmäßige Gäste