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Das Dorf, was abgebaggert wird

Ein Tag in Lützerath
The Real Junis am 16.01.23

unprofessionelles Sicherheitspersonal von RWE, Polizisten, die die Pressefreiheit durch die Pressevertreter:innen vor Ort als gefährdet sehen, Bauafellarbeiten neben Bäumen an deine Aktivist:innen hängen, ein selbstgegrabener Tunnel.

Gießen, der 14. Januar 2023, 1:26 Uhr:

Ich steige in den Zug, mache mich auf den Weg nach Lützerath. Ich will mir selbst ein Bild von der Lage machen. Später von den Protesten, aber auch schon früher in Lützerath selbst. Wie sieht es da am wahrscheinlich letzten Tag vor der Räumung aus? Wie weit komme ich mit meiner Presseakkreditierung? Wie ist die Polizei drauf? Ich will wissen, was in Lützerath heute abgeht. Dafür nehme ich auch eine schlaflose Nacht in kauf.

Titz, 8:46 Uhr:

Nach drei Umstiegen und 16 Kilometern mit dem Fahrrad habe ich es geschafft. Ich bin bei der Akkreditierungsstelle vom Polizeieinsatz in Lützerath angekommen. Nach der Akkreditierung werde ich mit dem Streifenwagen die letzten drei Kilometer nach Lützerath hoch gefahren. Die Situation ist noch recht entspannt. Ich komme mit netten Pressevertreter:innen in Kontakt die mir die Lage erklären, es sind viele Pressesprecher der Polizei unterwegs, die relativ Auskunftsfreudig sind.

Lützerath, 9:06 Uhr:

Plötzlich rennt uns eine Reporterin des WDRs entgegen. Sie meint, die Aktivist:inne aus dem Tunnel würden nun geborgen werden. Das stellt sich allerdings als falsch heraus. Die Polizei, mittlerweile mit Unterstützung der Werksfeuerwehr von RWE, pumpt weiterhin Sauerstoff in den Tunnel und aus dem Haus in dem sich der Tunneleingang befindet, laufen regelmäßig Feuerwehrleute sowie Funktionäre der Polizei ein und aus.

Lützerath, 9:30 Uhr:

Während dessen wird die Polizeipräsenz immer weiter verstärkt. Hunderte Polizeiautos fahren immer wieder in Reihen auf den Sammlungsplatz der Polizei. Ich schaue an einen anderen Ort, der für Journalisten noch zugänglich ist, denn da wo wir stehen, kommen wir nicht weiter. Man sieht durch Absperrgitter einzelne Baumhäuser, die Hütte mit dem Zugang zum Tunnel und Abrissarbeiten, weiter dürfen wir aber nicht. Auf der anderen Seite von Lützerath komme ich näher an die Baumhäuser. In der Mitte steht ein mehrstöckiger Turm, der so genannte "Tower". Von ihm aus gehen viele Seile zu benachbarten Baumhäusern und Bäumen. An diesen Seilen bewegen dich die Aktivist:innen von einem Ort zum anderen, teilweise haben sie Hängematten an die Seile gehängt und hängen so zwischen den Baumhäusern.

Lützerath, 10:20 Uhr:

Die Polizei durchtrennt mit Messern an langen Stäben nun immer mehr dieser Seile, über die die Baumhäuser verbunden sind, Bäume, die direkt neben Bäumen stehen, an denen Aktivisten hängen werden gefällt und Polizist:innen auf Hebebühnen sägen sich zu den ersten Baumhäusern durch, während über dem ganzen mehrere Polizeidrohnen und ein Hubschrauber kreisen. Die Stimmung wird auf Jeden Fall angespannter. Die Aktivist:innen stimmen immer wieder zu einem gemeinsamen Wolfsheulen ein.
Auch RWE hat hunderte Sicherheitskräfte engagiert, die in Lützerath selbst vor Allem die Journalisten abhalten, durch die Absperrungen in Lützerath zu kommen. Diese Sicherheitskräfte, der Werksschutz, besteht vor Allem aus jungen Männern. Die Ersten, die mir den Weg versperren, als ich versuche näher an die Baumhäuser zu kommen machen überhaupt keine gute Eindruck auf mich. Sie machen sich einen Spaß daraus, mich aufzuziehen, indem sie mich persönlich angreifen. Ich lasse mich aber nicht provozieren, Antworten auf meine Fragen bekomme ich aber trotzdem nicht. Diese drei Jungs wirken auf mich wie drei Halbstarke, die sich super cool damit fühlen, hier gerade das Sagen zu haben und sich einen Spaß daraus machen, den Oberboss zu spielen. Später treffe ich aber außerhalb von Lützerath an einen Kollegen, der eine Straße nach Lützerath für Autos sperrt. Als er mich im Regen mit dem Fahrrad sieht, hält er mich an um mir sein Regencape zu schenken.

Lützerath, 11:00 Uhr:

Das Einsatzgebiet der Polizei wird nun auch für uns Pressemenschen immer großräumiger abgesperrt. Zu der Hütte mit dem Zugang zum Tunnel kommt man schon lange nichtmal mehr in Sichtweite, während nun auch beim letzte richtigen Haus in Lützerath angefangen wird, dieses abzureißen. Ich will mich auf dem Gelände auf dem sich die tausenden Polizist:innen sammeln umsehen, werde aber direkt von Drei abgefangen. Sie kontrollieren sehr genau meinen Presseausweis, die Presseakkreditierung und meinen Personalausweis. Als sie damit fertig sind wird mir verboten, mich weiter auf dem Geländer der Polizei umzuschauen. Ich frage ob das erst jetzt beschlossen wurde oder ob ich es vorher bloß nicht mitbekommen habe, das wissen die Polizist:innen aber auch nicht so genau aber bitten mich die Polizeisammelstelle doch einfach jetzt zu verlassen.

Lützerath, 11:10 Uhr:

Auf dem Weg zum Tor 4 nach Lützerath, durch das ich auch reingekommen bin fängt mich noch ein Polizist ab. Dieser ist überhaupt nicht mehr freundlich. So langsam schlägt die Stimmung auch in der Polizei. Er beschwert sich, die Pressefreiheit würde mit Füßen getreten werden, da sich Aktivist:innen als Presse verkleiden würden um so nach Lützerath zu kommen. Er hätte Pressevertreter:innen gesehen, die gemeinsame Sache mit den Aktivist:inne machen würden. Ich entgegne ihm, dass hier nur Menschen mit Presseausweis akkreditiert werden und das eine Anschuldigung ist, die ich nicht nachvollziehen könnte, davon will er aber Nichts hören. Dass ich von einer Schüler:innenzeitung komme, belustigt ihn, als ich ihn Frage warum er da jetzt lacht, entgegnet er bloß: "Ich brauche da jetzt auch nicht mit dir zu diskutieren, geh jetzt einfach - ich habe dich im Auge ob du wirklich gehst!"
Das war jetzt also die erst Drohung heute - aber die harmloseste.

Lützerath, 11:30 Uhr:

Erstmal finde ich aber tatsächlich noch einen Pressesprecher der Polizei, der mir ein Paar Daten und Fakten verrät: Die Polizei ist hier mit Kräften aus 14 Bundesländern und hat sich wohl auf alle möglichen Szenarien vorbereitet. Genaueres will er nicht sagen. Ich lasse mich jetzt wieder mit dem Streifenwagen zu meinem Fahrrad bringen, um rechtzeitig bei der großen Demo im Nachbarort zu sein.

Was folgt ist eine Demo mit vielen Teilnehmer:innen, vielen Polizist:innen und zu viel Polizeigewalt. Mehr dazu im nächsten Artikel

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Lützerath
Reportage

16.01.23


von The Real Junis

Chief-Coder von GiBlog, 19 Jahre alt, FSJler im Bundestag, Klimaaktivist und führerscheinlos. Schreibt unregelmäßig Gastartikel für GiBlog über unregelmäßige Gäste


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